Freshly published: »Früher wurde mehr gelesen«
Der Aufsatz Früher wurde mehr gelesen. Über Aussagen zur Veränderung des Leseverhaltens im Zeitablauf von Kolleg-Mitglied Svenja Hagenhoff ist im Rahmen des DFG-geförderten Projekts Forschungsfeld Lesen entstanden.
Er setzt sich kritisch mit der weit verbreiteten Annahme auseinander, dass das Leseverhalten in der Gesellschaft über die Zeit hinweg abgenommen habe. Oft wird behauptet, dass weniger gelesen werde als früher, was auf eine vermeintliche kulturelle Verarmung hindeute. Diese Sichtweise wird häufig durch Studien gestützt, die einen Rückgang traditioneller Lesemedien, wie gedruckte Bücher, belegen. Der Text hinterfragt jedoch, ob solche pauschalen Aussagen die tatsächliche Veränderung im Leseverhalten angemessen erfassen.
Der Text hebt hervor, dass eine differenzierte Betrachtung notwendig ist, um Veränderungen im Leseverhalten zu verstehen. Faktoren wie die steigende Alphabetisierungsrate, der erleichterte Zugang zu Lesemedien durch die Digitalisierung und die zunehmende Verfügbarkeit von Freizeit sind wichtige Aspekte, die das Lesen beeinflussen. Zudem hat die Digitalisierung nicht nur neue Leseformate geschaffen, sondern auch den Zugang zu Texten für benachteiligte Gruppen erleichtert, was die Lesegewohnheiten insgesamt verändert hat.
Die pauschale Aussage, früher sei mehr gelesen worden, wird als problematisch angesehen, da sie auf selektiven Wahrnehmungen und nostalgischen Verzerrungen basiert. Historische Vergleiche sind methodisch schwierig, da sich die gesellschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen ständig wandeln. Der Text plädiert dafür, Veränderungen im Leseverhalten im Kontext dieser Entwicklungen zu betrachten und vor voreiligen Schlüssen über einen kulturellen Niedergang zu warnen. Das Lesen hat sich gewandelt, doch dies muss nicht zwangsläufig negativ sein. Vielmehr handelt es sich um eine Anpassung an neue Medien und Lebensweisen, die es genauer zu erforschen gilt.
Der Aufsatz ist erschienen im Sammelband »Mythen des Lesens. Über eine Kulturtechnik in Zeiten gesellschaftlichen Wandels«
Mit welchen Herausforderungen sieht sich die Kulturtechnik Lesen in unserer Gesellschaft konfrontiert und was wissen wir darüber? Die Beiträger*innen des interdisziplinären Netzwerks Leseforschung versammeln eine Vielzahl kursierender »Mythen« des Lesens mit dem Ziel, vorherrschende Meinungsbilder einer kritischen und wissenschaftlich fundierten Betrachtung zu unterziehen. Dazu zeigen sie auf, welche Haltungen und Erwartungen das Lesen begleiten und von welchen gesellschaftlichen Gemeinplätzen Lesetätigkeiten, der Buchmarkt sowie unterschiedliche Medien der Literaturrezeption bestimmt sind. Die essayistische Sammlung leistet somit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Lesens in Zeiten des Wandels.
Zitation:
Hagenhoff, Svenja (2024): Früher wurde mehr gelesen. Über Aussagen zur Veränderung des Leseverhaltens im Zeitablauf. In: Dominik Achtermeier und Lukas Kosch (Hg.): Mythen des Lesens. Über eine Kulturtechnik in Zeiten gesellschaftlichen Wandels. Bielefeld, S. 13–36 978-3-8376-7208-4.